Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
9.50 Uhr. Jetzt gerade begeben sich meine Verlobte und unser kleiner Sohn auf ihren Vormittagsspaziergang.
Wir wohnen nicht mitten in der Stadt, wo die meisten Grünen-Wähler herkommen, sondern auf dem Land. Auf einem Bauernhof, drei Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt. Umgeben von Wald, Feldern und Wiesen.
Im Heidekreis. Durch den Wolf gab es hier seit Beginn dieses Jahres 26 tote und 14 verletzte Weidetiere. Was in meiner Gegend noch so passiert ist:
Wolf greift Großpferd im Offenstall an.
Wolf erscheint mitten am Tag auf einem belebten Ponyhof.
Wölfe rennen mit Fahrradfahrerin um die Wette – die Dame kann mithilfe des Turbo-Ganges ihres E-Bikes entkommen.
Wölfe nähern sich zwei kleinen Jungen beim Schlittenfahren, zeigen keine Scheu und weichen nicht zurück.
Alles Ereignisse des vergangenen halben Jahres!
9.50 Uhr. Ja, meine Herzdame und unser Lütter sind jetzt gerade draußen unterwegs.
Sehr geehrter Herr Umweltminister Meyer, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil:
Was soll ich meinen Lieben zuhause denn nun erzählen? Einfach so tun als wär nichts und unbesorgt sein? Oder im Haus bleiben? Soll ich mein Kind, das draußen spielen möchte, jetzt einzäunen?
Wir brauchen endlich eine praktikable Problemlösung! Keinen Gesprächskreis! Kein Verstecken hinter vermeintlichen Zuständigkeiten anderer! Sie sind die Verantwortlichen für das, was hier in Niedersachsen passiert! Und sagen Sie nicht, wir von der Opposition hätten Sie nicht gewarnt: Seit November erfolgten:
Von der AfD 2 dringliche Anfragen sowie 1 Frage an den Ministerpräsidenten im Plenum. Außerdem 6 schriftliche Anfragen.
Von der CDU (ja, schöne Grüße an die Brandmauer!) 1 Entschließungsantrag und ebenfalls 6 schriftliche Anfragen.
Liebe Kollegen von der CDU: Schön, dass wir hier an einem Strang ziehen! Das Thema ist viel zu wichtig für parteipolitischen Kindergarten. Noch schöner wäre aber gewesen, wenn Sie Ihren Einfluss als Regierungspartei bis letzten Herbst genutzt hätten, hier schon mal weiter zu kommen!
Und noch, noch schöner wäre, wenn in dieser objektiv bedrohlichen Lage auch SPD und Grüne mitzögen. Die kommunale Ebene macht uns das nämlich gerade vor. Sagt Ihnen die „Uelzener Erklärung zum Wolf“ etwas? Eine Resolution, fachlich und formal sehr gut formuliert, zur Forderung eines aktiven Wolfsmanagements! Am 25. April im Uelzener Kreistag einstimmig beschlossen! Von allen Parteien. SPD, CDU, AfD, FDP, Freie Wählergemeinschaften. Und sogar von den Grünen! Diese Uelzener Erklärung zum Wolf – googeln Sie das mal – muss also ziemlich gut und absolut mehrheitsfähig sein.
An die SPD und an die Grünen: Ihr Stillstand hier auf Landesebene führt dazu, dass Sie von Ihren eigenen Parteifreunden in Uelzen rechts überholt worden sind! Und in den Landkreisen Celle, Lüneburg, Rotenburg und Heidekreis werden gerade Resolutionen mit exakt dem gleichen Text eingebracht! Jeweils von den verschiedensten Parteien und Gruppierungen! Die machen es Ihnen vor!
Auch in anderen Landkreisen Niedersachsens sorgt man sich wegen des Wolfes: Vor zehn Tagen in Aurich: Große Demo gegen den Wolf. Von meinem Zuhause weit weg, aber ich war dabei. Sehr geehrter Herr Siebels, Sie waren nicht da! Aurich ist doch Ihr Wahlkreis! Für Sie wäre das ein Heimspiel gewesen! Warum stellen Sie als parlamentarischer Geschäftsführer der Regierungspartei SPD sich nicht den Sorgen der Menschen vor Ort? Waren Ihnen 3000 Teilnehmer nicht genug?!?
Und von den Grünen war auch keiner da. Die Landesregierung taucht beim Thema Wolf komplett ab! Wollen Sie warten, bis einem Menschen etwas zustößt? Das könnte nur eine Frage der Zeit sein! Und dann? Wird es dann heißen: „Das war ein Einzelfall.“ „Das Opfer hat sich falsch verhalten.“ Diese verhöhnenden Worthülsen kenn‘ ich irgendwo her. Furchtbar!
Übrigens: Zu früheren Jahrhunderten war es stets ein Anliegen der Herrschenden, die Wölfe kurz zu halten. Zum Schutz von Mensch, Nutztier und Landwirtschaft. Je besser dies den Regierenden gelang, umso höher ihre Akzeptanz bei der Bevölkerung. Schlimm, dass wir in solche eigentlich längst überwunden geglaubten Zustände zurückfallen.
Was ist hier eigentlich los?
Stichwort „Furchtbar“: Das hier ist die Rissliste des Landes Niedersachsen! Alle gemeldeten Risse seit 2008: 3364 tote, 669 verletzte und 280 verschollene Tiere! 46 Seiten grausames Tierleid! Bei lebendigem Leibe angefressen oder aufgefressen! Ist das noch nicht genug? Ich empfehle die Rissliste jedem Mitglied der naturfernen Bionade-Burgeoisie zur Lektüre! Ich leg sie auf meinen Platz.
Und hören Sie mir bitte auf mit Zaunbau: Es gibt keinen Zaun, den ein hungriger Wolf nicht zu überwinden vermag. Diese Liste ist voll von Opfern hinter vermeintlich wolfsabweisenden Zäunen! Schon schlimm genug, dass Sie die ganze Landschaft mit Windrädern verschandeln wollen. Zerschneiden Sie sie nicht auch noch mit immer hochgerüsteteren Zäunen! Biotop-Vernetzung adé. Und das nur für diese eine Art Canis Lupus? Der zudem längst einen stabilen Erhaltungszustand aufweist? Von den immensen Kosten ganz zu schweigen!
Laut Medienberichten von Montag scheinen Sie ja nicht einmal mehr das Geld zur Auszahlung der bereits bewilligten Anträge auf Zuschüsse zum Zaunbau zu haben! Und kommen Sie auch nicht mit diesen riesigen speziellen Herdenschutzhunden, die sind oft gemeingefährlich. In anderen Ländern sind denen schon Menschen zum Opfer gefallen! Gerade vor zwei Wochen rief mich ein Schäfer aus dem Landkreis Celle an. Er hatte das Wettrüsten mit den Zäunen noch mitgemacht. Vergeblich. Aber Herdenschutzhunde? Dieses Risiko wollte er nicht mehr auf sich nehmen. Er hat die Schafhaltung vor einem Jahr aufgegeben!
Wie so viele andere Tierhalter in unserer Kulturlandschaft! Das kann es nicht sein! Die Wolfspolitik dieser Landesregierung scheitert komplett! Herr Weil, Herr Meyer: Kommen Sie aus der Deckung! Übernehmen Sie endlich Verantwortung! Veranlassen Sie ein sofortiges aktives Wolfsmanagement!